Nachhaltigkeit ist nicht die Formel zur Welterlösung. Alle Welt redet von Nachhaltigkeit. Aber was soll das überhaupt bedeuten? Die Idee einer global gesteuerten Ressourcenbewirtschaftung ist utopisch und im Kern totalitär. Scharlatane haben sich zu allen Zeiten hinter Wort-Ungetümen versteckt. Das soll den normalen Menschenverstand auf Distanz halten. Ein aktuelles Beispiel liefert der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) mit seinem Bericht Welt im Wandel. Es handelt sich laut Autoren um einen Gesellschaftsvertrag für eine große Transformation, die wir uns als Ende des fossilen industriellen Metabolismus und als Übergang zur Nachhaltigkeit vorzustellen haben.
Der Begriff der Nachhaltigkeit stammt aus dem Waldbau. Deutsche Forstmeister wollten mit diesem Prinzip erreichen, dass nicht mehr Bäume gefällt werden als nachwachsen. Die neue Weltgesellschaft soll mit deutschem Know-how verwirklicht werden, und zwar durch tief greifende Änderungen von Infrastrukturen, Produktionsprozessen, Regulierungssystemen und Lebensstilen. Der Gremiumsvorsitzende Hans Joachim Schellnhuber schlägt deshalb Volksentscheide mit Teilnahmepflicht oder Ombudsleute für die Rechte künftiger Generationen vor. Bundeskanzlerin Merkel bezeichnet Nachhaltigkeit als Leitprinzip der Bundesregierung und fordert die Deutschen auf, über alle Lebensbereiche hinweg den Nachhaltigkeitsgedanken zu verinnerlichen.
Was genau ist Nachhaltigkeit? Alles Öko! Aber was ist Ökologie? Nun würden wir das ja gerne tun, wenn uns endlich jemand sagen könnte, was Nachhaltigkeit eigentlich ist. Der WBGU hilft mit seiner Definition nicht wirklich weiter: Nachhaltigkeit ist nicht zuletzt Fantasie. Mit den verschiedenen Erläuterungen des Begriffs könnte man eine ganze Dussmann-Filiale füllen, was aber auch nicht schlauer machen würde, denn es handelt sich unisono um schwere Kopfgeburten, in denen eine gefühlte Elite dem dummen Volk das Denken abnimmt.
Nachhaltigkeit klingt so natürlich, so biologisch, so ökologisch, schrieb einmal Hubert Markl, der ehemalige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, da unklar genug ist, was es eigentlich bedeuten soll, können sich von Wirtschaft und Wissenschaft bis zu Politik und Kirchentagen alle darauf einigen.
Die bekannteste Definition stammt von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Kommission) der Vereinten Nationen aus dem Jahre 1987. Danach ist eine Entwicklung nachhaltig, wenn sie die Bedürfnisse der gegenwärtig lebenden Menschen befriedigt, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen infrage zu stellen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Nachhaltigkeit ist demnach eine Art Welterlösungsformel.
Problematisch wird es erst, wenn der Kellner die Rechnung bringt: Welche Bedürfnisse dürfen es denn noch konkret sein? Eine vollwertige Mahlzeit pro Tag? Oder drei? Darf es auch eine Wohnung sein, Altbau oder Platte? Steht uns ein Urlaub zu, womöglich gar mit dem Flugzeug? Und wer entscheidet das? Vielleicht der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen? ...
Doch welche Generationen sind überhaupt gemeint? Die in 50 Jahren, in 100 Jahren, in 1000 Jahren oder in 100 Millionen Jahren? Wird es dann überhaupt noch Menschen geben? Und was wird gut für sie sein? Was hätte ein Wissenschaftler Ende des 19. Jahrhunderts zu unserem heutigen Wohle empfohlen? Nachhaltige Pferdekutschen? Petroleumlampen? Raddampfer? Und was ist vorzuziehen: zehn Millionen Familien für die nächsten 100 Jahre gut zu versorgen oder 100 Familien für die nächsten zehn Millionen Jahre? Sollen die Armen von heute etwa zugunsten der Reichen von morgen verzichten? Könnte es nicht auch sein, dass die Menschen in 100 Jahren reicher sind als wir heute, genau wie wir reicher sind als unsere Großeltern?
Es mag die Wohlmeinenden schmerzen und verstören: Unseren heutigen Wohlstand und Fortschritt verdanken wir weniger der Sorge früherer Generationen um uns, als vielmehr ihrem Wunsch, selbst besser zu leben. Anstatt die Zukunft als ergebnisoffenes Entdeckungsverfahren zu sehen, wird die Idee einer besseren Welt nach Plan wieder salonfähig. An die Stelle des tastenden Fortschritts durch Irrtum und Versuch soll eine global gesteuerte Ressourcenbewirtschaftung treten. Sie soll im Hinblick auf einen hypothetischen paradiesischen Endzustand erfolgen. Eine solche Idee ist utopisch und im Kern totalitär.